Aus UroForum, Heft 07/2023

Franz-Günter Runkel

Zum Jubiläumskongress der DGU in Leipzig wird Prominenz aus Wissenschaft und Politik erwartet. Thematisch wird es um eine neue Empfehlung der Europäischen Kommission für die Krebsfrüherkennung durch Screening sowie um eine Qualitätsinitiative zum lokalisierten Prostatakarzinom gehen. Der Kongress wird die ambulante Transformation der Urologie sowie die Folgen der Krankenhausreform diskutieren.

Maurice Stephan Michel
Prof. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Urologie. (Foto: DGU)

Grund zur Freude hat Prof. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU). Ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit stieg die Mitgliederzahl der Fachgesellschaft auf 7.500. Zum Jubiläumskongress haben sich hochkarätige Gäste für das Plenum des Präsidenten angesagt. Der US-Nobelpreisträger Prof. Tom Sudhof aus Stanford ist ebenso eingeladen wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Highlight-Themen des Kongresses werden die individualisierte Präzisionsmedizin, Künstliche Intelligenz sowie die sektorenübergreifende Versorgung sein.

DKG-Versorgungsdaten weisen schwächere PCa-Zentren aus

Nicht zufrieden ist Prof. Michel mit den Versorgungsdaten der Prostatakarzinom-Zentren, die die Deutsche Krebsgesellschaft regelmäßig erhebt. Der aktuelle Benchmark der Zentren weist gute, aber auch weniger gute Zentren aus. Deshalb wird die Fachgesellschaft eine „Qualitätsinitiative zum lokalisierten Prostatakarzinom“ starten, über die der Generalsekretär in Leipzig berichten wird. „Auf der Basis dieser Versorgungsdaten entsteht ein klares Benchmark für die Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms. Wir haben eine Verpflichtung, uns zu verbessern. Diese Verbesserung schwächerer PCa-Zentren findet derzeit aus meiner Sicht noch nicht ausreichend statt“, kritisiert Prof. Michel. Die Zertifizierung allein reiche nicht aus, sondern man müsse strukturierte Initiativen zur Verbesserung der eigenen Krebsdiagnostik und -Therapie ergreifen. „Wir wollen niemanden brüskieren, aber diesen Kliniken etwas zur Verbesserung der Versorgungsqualität an die Hand geben.“

Nachdem die Bestimmung des PSA-Wertes vor einigen Jahren nochmals im Gemeinsamen Bewertungsausschuss gescheitert ist, unternimmt die DGU nun einen weiteren Anlauf. Anlass ist eine neue Empfehlung der Europäischen Kommission für die Krebsfrüherkennung durch Screening. Die Kommission fordert darin die Ausweitung des Screening-Programms zur Früherkennung des Prostatakarzinoms und anderer Krebsarten. Die DGU hat dazu einen Algorithmus ausgearbeitet, der vorsieht, dass Männer in einer im ersten Schritt definierten Alterskategorie das Anrecht auf eine urologische Beratung zum Thema Früherkennung erhalten. Der Algorithmus umfasst die strukturierte Erfassung des PSA-Werts, die Risiko-Kalkulation, ein eventuelles multiparametrisches MRT, eine weitere Risiko-Kalkulation für PI-RADS 3-Karzinome, eine eventuelle MRT-Ultraschall-Fusionsbiospie sowie die abschließende Beratung auf der Basis des histologischen Ergebnisses. Für die Bestimmung der Prostatagröße wurde auch der transrektale Ultraschall integriert.

DGU spricht mit BMG und G-BA über GKV-Früherkennung

„Die DGU führt derzeit informelle Gespräche über diesen ganzen Strang zur Früherkennung des Prostatakarzinoms mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bundesgesundheitsministerium. Der Wille, daraus eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu machen, ist bei unseren Gesprächspartnern vorhanden“, stellt Prof. Michel im Gespräch mit UroForum fest. Dabei sei es in der Konzept-Phase gelungen, die urologische Beratungsleistung in der EBM-Vergütung zu berücksichtigen. „Die wirtschaftliche Auskömmlichkeit ist gesichert.“ Zwar gibt es noch keine offizielle Beauftragung des GBA, aber das wird gerade in Gesprächen sondiert. „Die DGU hat den Algorithmus zur Früherkennung für Männer zwischen 50 und 65 Jahren empfohlen“, unterstreicht der Sprecher des Vorstands.

Die drastische Ausweitung des Katalogs zum ambulanten Operieren ist für die Urologie ein durchaus heikles Thema, weil Interessen berührt sind. Offenbar sorgt das Thema aber derzeit im Fachgebiet nicht für große Spannungen. „Es geht in der Urologie nicht um Niedergelassene, die Schlange stehen, um ambulante Ureterorenoskopien anbieten zu können. Nach Gesprächen mit dem Berufsverband ist die gleiche Vergütung der Eingriffe in Klinik und Praxis entscheidend. Es ist egal, wer am Ende operiert, aber es muss gleich vergütet sein“, fasst Prof. Michel den Stand der Fachdiskussion zusammen.

risikoadaptierter Algorithmus zur Früherkennung des Prostatakarzinoms
Ein risikoadaptierter Algorithmus zur Früherkennung des Prostatakarzinoms ist zwischen DGU, BMG und DKG als GKV-Leistung im Gespräch. (Quelle: Universitätsmedizin Mannheim, Urologie)

Ureterorenoskopie wird erste ambulante Klinik-Leistung

Die auskömmliche Finanzierung ambulanter Operationen sei finanziell nicht gesichert. „Deshalb versucht jeder, sich davor zu drücken“, unterstrich der Generalsekretär im UroForum-Gespräch. Die niedergelassenen Urologinnen und Urologen wollen aus seiner Sicht eher nicht groß ins ambulante Operieren einsteigen. Allein die medizintechnischen Investitionen dafür kosteten 750.000 bis eine Million Euro. „Ich sehe da weder einen Wettlauf zwischen Klinik und Praxis noch ­einen berufspolitischen Konflikt. Mein Credo sind regionale Abstimmungen der Partner über eine gemeinsame Linie zum ambulanten Operieren.“

Die Ureterorenoskopie wird nach Einschätzung des Generalsekretärs eine der ersten Leistungen sein, die die Kliniken ambulant erbringen werden. Deutsche Krankenhausgesellschaft und KBV verhandeln derzeit über die Finanzierung der Einmal-Materialien für die Ureterorenoskopie. „Die DGU ist zuversichtlich, dass die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden können und dass die URS vielleicht noch 2023 auskömmlich finanziert sein wird.“

Das WECU-Curriculum macht nur langsame Fortschritte

Das Weiterbildungs-Curriculum Urologie zur zertifizierten transsektoralen urologischen Weiterbildung von angehenden Fachärztinnen und Fachärzten für Urologie macht langsame Fortschritte. Es handelt sich um eine Initiative der DGU, die mit den Kooperationspartnern BvDU und GeSRU umgesetzt wurde. Sowohl die Bundesärztekammer als auch kassenärztliche Vereinigungen sehen sie als Leuchtturmprogramm der fachbezogenen ärztlichen Weiterbildung.

Aktuell sind 40 Kliniken sowie 40 Praxen und Ambulanzen in das WECU-Programm integriert. Die Rotation ist kein Selbstläufer, denn die Weiterbildungen und ihre Finanzierung müssen ja bei den Kassenärztlichen Vereinigungen beantragt werden. „Ich bin noch nicht zufrieden mit den Ergebnissen, aber wir haben den Weg eingeschlagen. In der ambulanten Urologie ist die WECU-Rotation der Assistenten eher ein Modell für Gemeinschaftspraxen, weil Fachärzte dann besser zum Operieren ins Krankenhaus gehen können“, berichtet Prof. Michel. In der Einzelpraxis sei der Mehrwert des Curriculums geringer, weil der Praxisinhaber ja doch die ganze Zeit über in seiner Praxis sein müsste.

Nierentransplantation wohl ohne Zukunft in der Urologie

Eine Konzentration findet wohl auch in den Randgebieten der Urologie statt – vor wenigen Jahren noch Schwerpunkt-Thema der DGU. Während in der Kinderurologie und Urogynäkologie interdisziplinäre Lösungen mit Kinderchirurgie und Gynäkologie gefunden wurden, die Urologinnen und Urologen einbinden, sieht es in der Nierentransplantation düster aus. „Das Interesse an der Nierentransplantation scheint zu stagnieren. Zugewinne werden in diesem Kapitel der Deutschen Urologie wohl nicht zu erwarten sein“, stellt Prof. Michel fest. So könnte dieses Kapitel der deutschen Urologie bald enden.

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