Abb. 1

Aus UroForum, Heft 07/2023

Merle Matzen & Mario Wolfgang Kramer

Das Urothelkarzinom der Harnblase ist eine häufige Form von Blasenkrebs, die weltweit eine bedeutende gesundheitliche Herausforderung darstellt. In den letzten Jahren hat die immunonkologische Therapie große Aufmerksamkeit erregt, da sie das Potenzial hat, das Überleben und die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten zu verbessern. Insbesondere bei der Therapie des metastasierten oder nicht operativ sanierbaren muskelinvasiven Urothelkarzinoms der Harnblase nimmt die Immuntherapie sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinientherapie bereits einen wichtigen Platz ein [1]. Studien zur neoadjuvanten Anwendung zeigen vielversprechende Ergebnisse. Als adjuvante Therapie ist Nivolumab bereits zugelassen. In diesem Artikel wollen wir den aktuellen Forschungstand zur immunonkologischen Therapie beim Urothelkarzinom der Harnblase beleuchten und einen Überblick über aktuelle Fortschritte und zukünftige Perspektiven geben.

Checkpoint-Inhibitoren

In der immunonkologischen Therapie des Urothelkarzinoms der Harnblase kommen insbesondere Checkpoint-Inhibitoren (CPI) zum Einsatz. Zu den wichtigsten Substanzen gehören Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab, Nivolumab und Pembrolizumab. Diese Medikamente zielen darauf ab, die Funktion von Checkpoint-Proteinen wie PD-1 (programmed cell death protein 1) und PD-L1 (programmed death-ligand 1) zu blockieren, um die Immunantwort gegen den Tumor zu verstärken.

Nicht-muskelinvasives Harnblasenkarzinom

Die immunonkologische Therapie beim nicht-muskelinvasiven Harnblasenkarzinom (NMIBC) ist in Form von intravesikalen Immuntherapien bereits seit vielen Jahren ein fester Bestandteil in der deutschen und europäischen Leitlinie [1, 2]. Doch auch die Checkpoint-Inhibition hat sich beim NMIBC als vielversprechender Therapieansatz erwiesen. In der Keynote-057 Studie wurde die Therapiewirksamkeit von Pembrolizumab bei Patienten mit high-risk NMIBC nach BCG-Versagen untersucht [3]. Die Ergebnisse zeigen ein ermutigendes Ansprechen: Nach 12 Monaten liegt das krankheitsfreie Überleben in der Patientenkohorte bei 41 % (95%-KI: 33,1–50,0). Das Gesamtüberleben liegt nach 12 Monaten Beobachtungszeitraum bei 96 % (95%-KI: 91,1–98,4) [3]. Man kann daher von einer Bestätigung der Wirksamkeit von CPI beim NMIBC ausgehen. Zusätzlich ergibt sich mit Pembrolizumab eine wirksame Alternative nach BCG-Versagen, insbesondere bei Patienten, die eine Zystektomie oder eine Radiatio ablehnen. Eine aktuelle Zulassung in der EU ist jedoch ausstehend.

Muskelinvasives Harnblasenkarzinom

Auch im Bereich des muskelinvasiven Urothelkarzinom der Harnblase (MIBC) hat die Checkpoint-Inhibition vielversprechende Ergebnisse gezeigt, insbesondere in der adjuvanten Therapie nach stattgehabter Zystektomie. Eine wegweisende Studie in diesem Kontext ist die CheckMate 274-Studie, in welcher die Patienten entweder Nivolumab oder Placebo adjuvant über einen Zeitraum von 12 Monaten nach einer vollständigen chirurgischen Tumorentfernung erhielten [4]. Die adjuvante Behandlung mit Nivolumab führte zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Überlebensvorteile ließen sich in unterschiedlichen Subgruppen auch unabhängig von der PD-L1-Expression der Patienten beobachten, jedoch zeigten Patienten mit einer PD-L1-Expression (TP-Score) von > 1 % ein deutlich besseres Ansprechen. Nach einem Follow-up von 6 Monaten waren bei diesem Patientenkollektiv 74,5 % der Nivolumab-Gruppe und 55,7 % der Placebo-Gruppe krankheitsfrei (HR 0,70; p = < 0,001) [5]. Die neuesten Daten der CheckMate-274 Studie zeigen zudem, dass das krankheitsfreie Überleben auch über einen langen Beobachtungszeitraum von mehr als 3 Jahren hinweg signifikant verbessert wird, obwohl die Patienten die Therapie lediglich über einen Zeitraum von 12 Monaten erhalten haben. Patienten mit einer PD-L1-Expression (TP-Score) von > 1 % zeigten nach 36 Monaten ein DFS von 56,9 % in der Nivolumab-Gruppe vs. 33,3 % in der Placebo-Gruppe (▶ Abb. 1) [4–7]. Diese Ergebnisse führten zu einer eingeschränkten Zulassung von Nivolumab adjuvant in Europa bei Patienten mit einer PD-L1 Expression (TP-Score) von > 1 % und hohem Rezidivrisiko nach radikaler Zystektomie (ypT2-ypT4 oder ypN+ bzw. pT3b-pT4 oder N+)[1].

Abb. 1
Abb. 1: Krankheitsfreies Überleben (DFS) in der CheckMate-274 Studie, Nivolumab vs. Placebo; modif. nach [6,7].

Auch zur Anwendung der neoadjuvanten Checkpoint-Inhibitor-Therapie beim lokal begrenzten MIBC gibt es einige vielversprechende Studien. In der jüngeren Vergangenheit zeigten bereits zwei Phase-II-Studien in der Neoadjuvanz ermutigende Ergebnisse, unter anderem die PURE01-Studie (Pembrolizumab neoadjuvant) und die ABACUS-Studie (Atezolizumab neoadjuvant). Neueste Follow-up-Daten beider Studien zeigen ein DFS von 74,4 % (95%-KI: 67,8–81,7) nach 36 Monaten Beobachtungszeit in der PURE01-Studie sowie ein DFS von 68 % (95%-KI: 58–67) nach 24 Monaten Beobachtungszeit in der ABACUS-Studie [8, 9]. Daher wird derzeit auch der Ansatz einer immunonkologischen Kombinationstherapie mit einer platin-haltigen Chemotherapie neoadjuvant überprüft. Aktuelle Studien untersuchen die neoadjuvante Anwendung von Durvalumab (NIAGARA), Nivolumab (CA017–078) und Pembrolizumab (Keynote-866) in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin [10–12]. Die Ergebnisse dieser Studien stehen aus, eine Applikation von neoadjuvanten Immuntherapien oder Immunchemotherapien ist dementsprechend aktuell nur im Rahmen von klinischen Studien durchzuführen.

Metastasiertes/fortgeschrittenes Urothelkarzinom

Beim lokal fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinom dreht sich die derzeitige Forschung insbesondere um die Anwendung der Immunonkologie als Erstlinientherapie. Die bisherige Prüfung kombinierter Ansätze (Keynote-361-Studie: Pembrolizumab vs. Pembrolizumab + platinhaltige Chemotherapie vs. platinhaltige Chemotherapie) ergab keine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die Kombinationstherapie im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie [13]. Ebenso wenig die CPI-Monotherapie (DANUBE-Studie: Durvalumab vs. Durvalumab + Tremelimumab vs. platinhaltige Chemotherapie) [14].

Aus diesen Erkenntnissen hat sich auf Basis der JAVELIN-Bladder-100-Studie die Überprüfung einer immunonkologischen Erhaltungstherapie nach platinbasierter Chemotherapie ergeben. Die Studie zeigte, dass die Erhaltungstherapie mit Avelumab bei Patienten, die sich nach einer platinhaltigen Chemotherapie mindestens in einer stabilen Erkrankungssituation (stable disease) befinden, das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen Beobachtung im Sinne einer best supportive care (BSC) signifikant verbessert. Nach 12 Monaten Beobachtung lag das Gesamtüberleben bei Patienten, die Avelumab erhielten, bei 71,3 %, in der Kontrollgruppe lag sie bei 58,4 % (HR 0,69; p = 0,001) (▶ Abb. 2). Dies führte zu einer europäischen Zulassung [15].

Abb. 2
Abb. 2: Gesamtüberleben der Gesamtpopulation in der JAVELIN-Bladder-100-Studie, Avelumab + BSC vs. nur BSC; modif. nach [10].

Ein wichtiges und spezielles Patientenkollektiv bilden Patienten, die für eine platinhaltige Chemotherapie ungeeignet sind. Diese Gruppe lässt sich weiter einteilen in Patienten, die nicht für Cis- aber für Carboplatin geeignet sind und Patienten, die gänzlich ungeeignet für jegliche Form der platin-haltigen Chemotherapie sind (▶ Tab. 1) [1]. Eine geeignete Therapie für diese Patienten zu finden, ist sehr diffizil, für weitere Therapieoptionen in der Erstlinie gibt es jedoch einige vielversprechende Studien.

Die Keynote-052-Studie evaluierte in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit von Pembrolizumab als Erstlinientherapie. Diese Studie zeigte bei Patienten mit einem ­positiven PD-L1-Status (CPS-Score ≥ 10) eine Therapieansprechrate von 47,3 % (95%-KI: 37,7–57,0). Das Gesamtansprechen der Patientenkohorte lag bei 28,6 % (95%-K:I 24,1–33,5) [16]. In der IMvigor-210-Studie wurde die Anwendung von Atezolizumab in der Erstlinie untersucht. Primärer Endpunkt der Studie war das objektive Therapieansprechen, welches gemäß den RECIST-Kriterien 1.1 stratifiziert wurde [17]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 17,2 Monaten lag die objektive Ansprechrate für die Gesamtkohorte bei 23 % (95%-KI: 16,0–31,0) [18]. Basierend auf diesen Daten wurden beide Therapieschemata für platin-unfitte Patienten in der Erstlinie im Falle eines positiven PD-L1-Status (Pembrolizumab: CPS-Score > 10, Atezolizumab: IC-Score > 5 %) zugelassen [1].

Tab. 1
Tab. 1: Einteilung der Patienten mit met. MIBC für die Erstlinientherapie; modif. nach [1].

Aktuelle weitere Daten liefert die Phase-II-Studie NORSE, welche die Applikation von Erdafitinib (pan-FGFR Tyrosinkinaseinhibitor) vs. Erdafitinib und Cetrelimab (PD-1-Inhibitor) als Erstlinientherapie bei Platin-unfitten Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom der Harnblase und nachgewiesener FGFR-Alteration untersucht hat. Es zeigt sich dort eine Gesamtansprechrate von 44,2 % in der Erdafitinib-Gruppe (95%-KI: 29,1– 60,1) und von 54,5 % in der Erdafitinib-Cetrelimab-Gruppe (95%-KI: 38,8–69,6). Diese Ergebnisse stützen die Position von Erdafitinib als Therapiealternative zur platinhaltigen Chemotherapie in der Erstlinie bei Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom der Harnblase und FGFR-Alteration, eine Zulassung ist jedoch ausstehend [1,19].

Zusammenfassung

Die Immuntherapie hat das Behandlungsparadigma für das Urothelkarzinom der Harnblase verändert und bietet den Patienten neue Hoffnung auf eine verbesserte Überlebensrate und Lebensqualität. Die fortlaufende Forschung in diesem Bereich zielt darauf ab, die Wirksamkeit der Immuntherapie weiter zu verbessern und die Kombination mit anderen Behandlungsmodalitäten wie Chemotherapie oder zielgerichteten Therapien zu untersuchen, um den Patienten die besten individuellen Therapieoptionen zu bieten.

Merle Matzen

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