Schon die Koalitionsverhandlungen der Berliner Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP zeigten, dass die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) als Inbegriff der Privatmedizin in dieser Legislaturperiode keine Rolle spielen wird. SPD und Grüne würden die gesamte private Krankenversicherung am liebsten abschaffen und das Geld in eine Bürgerversicherung stecken. Die FDP sieht sich als Gralshüter der privaten Krankenversicherung. Aus diesem ideologischen Konflikt ergab sich zur Rettung des Koalitionsfriedens in diesem Bereich eine koalitionspolitische No go-Area: die neue GOÄ.

Der Vorstand des BvDU (Foto) erarbeitet für seine Mitglieder eine Handreichung für eine maximale Faktorensteigerung der alten GOÄ. Foto: Runkel

Dann vollzog auch der Verband der Privaten Krankenversicherung eine Absetzbewegung. Man war nach eigenem Bekunden gerade noch kurz vor einer Einigung, um dann doch wieder immer neue Gräben zu entdecken. Heute gilt auch der PKV-Verband als unsicherer Kantonist. Alles danach war im Grunde erwartbar. Es passierte – nichts. Umso überraschender war, dass Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Berufsverbände nun schon länger hoffen, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der „Chefideologe“ der Bürgerversicherung, über seinen Schatten springt.

BvDU warnt vor Ausbleiben der neuen GOÄ: Minister und PKV blockieren

Insofern formuliert die aktuelle Analyse des Berufsverbands der Deutschen Urologen Erwartbares: „Die Gründe, dass die neue GOÄ nicht auf den Weg gebracht wird, liegen … zum einen auf Seiten des Gesundheitsministers, der kein Interesse zu haben scheint, eine neue, für Ärztinnen und Ärzte leistungsgerecht kalkulierte GOÄ, einzuführen wie auch auf Seiten des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV), der als Kostenträger Änderungsbedarf bei den Leistungspreisen anmahnt und gegen die neue GOÄ mauert.“ Der Berufsverband bedauert das Agieren des Ministers und der PKV und sieht die Gefahr, dass die neue GOÄ im Sande verlaufen könnte. „Die Bundesärztekammer (BÄK) scheint nicht die Kraft zu haben, die neue GOÄ zu ermöglichen“, schreibt der BvDU. Offenbar hatte man von der BÄK mehr erwartet.

BvDU empfiehlt eine Faktorensteigerung

Nach derzeitigem Kenntnisstand geht der BvDU-Vorstand davon aus, dass eine „neue GOÄ in absehbarer Zeit vom Ordnungsgeber nicht auf den Weg gebracht werden wird.“ Als Konsequenz empfiehlt der Berufsverband seinen Mitgliedern, von den Möglichkeiten einer begründeten Faktorensteigerung vermehrt Gebrauch zu machen. Konkret bedeutet das: „Für die Behandlung von Patientinnen und Patienten ist bei privatärztlichen Abrechnungen seit Jahren ein Regelsteigerungsfaktor in Höhe von 2,3 üblich auf Grundlage der derzeit gültigen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand kann die am Patienten erbrachte Leistung jedoch bis zum 3,5fachen des Gebührensatzes steigen.“

So möchte der BvDU zumindest die Privathonorare auf einen zeitgemäßen Stand bringen, wenn das in den Leistungspositionen selbst schon nicht möglich ist. „Die Honorare gemäß derzeit gültiger GOÄ bilden in keiner Weise den aktuellen medizinischen Standard ab, den Ärztinnen und Ärzte erbringen“, so der BvDU-Vorstand. Die aktuell gültige GOÄ stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1982, teilweise modernisiert im Jahr 1996. Der Berufsverband fordert die Erweiterung der aktuellen GOÄ um viele ärztliche Leistungen, die Anpassung der Preise entsprechend dem heutigen Standard in der Humanmedizin und das Inkrafttreten der neuen GOÄ.

Vorbild Tiermedizin

Die Tiermedizin macht vor, dass Gebührensätze zeitgemäß sein müssen, um höchsten medizinischen Standard erbringen und zudem Nachwuchs gewinnen zu können: Die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) trat am 22. November 2022 in Kraft, auf den Weg gebracht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Der BvDU-Vorstand „empfiehlt Herrn Lauterbach, in kollegialen Austausch mit Cem Özdemir zu gehen, um endlich die Einsicht zu erlangen, Humanmedizin leistungsgerecht zu entlohnen“.

Ungeachtet dieser Handreichung kämpft der Vorstand des Berufsverbands weiter für die neue GOÄ: „Wir fordern eine aktuelle Gebührenordnung, wie sie jeder freie Beruf benötigt und die die Gebühren endlich adäquat abbildet.“ Es wird noch etwas dauern.